Marlo Grosshardt
Provokation als poetische Ausdrucksform? Was nach einem künstlerischen Wagnis klingt, ist in Wahrheit auch eines. Trotzdem kriegt Marlo Grosshardt das mit einer tiefenentspannten Coolness gelevelt, die beeindrucken muss. Der 23-jährige Hamburger zaubert seit ein paar Jahren Liedgut von kulturkritischer Kampfeslust, die in diesen Zeiten viel zu selten an den Tag gelegt wird. Die Stimme eine einzige Reminiszenz an die großen deutschen Liedermacher der 70er-und 80er Jahre – Achim Reichel, Hannes Wader oder Witthüser & Westrupp ploppen aus der Vergangenheit nach oben. Doch dann ist da auch diese jugendliche Frische in Texten und Instrumentierung, welche etwa die EP „schön, provokant“ (2022) oder das herrlich bissige Debütalbum „Ein letztes Liebeslied“ (2023) von Grund auf prägen. Grosshardt versteht es gleichzeitig zurückgelehnt und konfrontativ zu klingen, was Nummern wie „Tanz für mich“ oder dem längst überfälligen Abgesang auf die Perversitäten des Neoliberalismus „Christian Lindner“ eine ungemeine Souveränität verleiht. Kritische Gegenwartslyrik in kraushaarig-kratzigem Pop-Design – es ist genau das, was diese Republik seit so langer Zeit bitter nötig hat.